Kassel

16.06.1941- 29.07.1941

Im Reservelazarett IV, das sich im Gebäude der Kunstakademie am Rand der Karls-Aue bei Kassel befand, verbrachte ich die nächsten sechs Wochen. Die Krankheit bereitete mir keinerlei Beschwerden. Abgesehen von einem Katarrh, den man durch Inhalation von Kamillendampf behandelte, und einem Furunkel an der Nase, den der Arzt aufschnitt, fühlte ich mich völlig gesund. Ich mußte jedoch wie jeder Scharlachkranke 42 Tage lang zur Quarantäne in der Infektionsabteilung des Lazaretts verbleiben. Währenddessen wechselte ich dreimal das Zimmer.

Meine Umgebung bestand aus ebenso beschwerdefreien Scharlachkranken, die hier ihre vorgeschriebenen 42 Tage absaßen. Sie stammten aus den Wehrmacht- und SS-Kasernen in Kassel und Umgebung. Auch einige Funker aus Hofgeismar waren unter ihnen.

Sobald es der Arzt erlaubte, stand ich täglich auf und übernahm mehrmals freiwillig den Stubendienst, um beweglich zu bleiben. Später hielt ich mich des öfteren im Lazarettgarten auf. Da überwiegend trübes Wetter herrschte, blieb ich dort meist allein und genoß den Anblick des dunklen Sommerwaldes der Karls-Aue, von dem das Lazarettgelände durch einen hohen Zaun abgetrennt war.

Am 22. und am 23.07. besuchte mich mein Vater, der aus Koblenz, wo er als Offizier Dienst leistete, nach Kassel gekommen war. Ich verbrachte an beiden Tagen mehrere Stunden mit ihm im Garten. Am 29.07. wurde ich entlassen und kehrte mit der Eisenbahn in Begleitung anderer entlassener Lazarettinsassen nach Hofgeismar zurück.